Ein offenes Ohr für die Menschen

In einer bayerischen Justizvollzugsanstalt (JVA) betreut Anke Bub (seniorTrainerin aus Würzburg) Jugendliche – und begleitet die Heranwachsenden in einer schwierigen Lebensphase. Von ihrem Engagement profitieren dabei nicht nur die jugendlichen Straftäter, sondern auch die freiwillige Helferin.

seniorTrainerin Anke Bub

Von der eigenen Arbeit überzeugt
„Menschen in schwieriger Lebenssituation Zuwendung zu geben, war und ist mir von jeher ein Anliegen“, beschreibt Anke Bub die Gründe für ihr Engagement. Und so kam es, dass sie sich im Jahre 2003 im bundesweit ausgeschriebenen EFI-Programm zur seniorTrainerin ausbilden ließ, um als solche ihr Wissen und ihre Lebenserfahrung an andere Menschen in der Gesellschaft weiterzugeben. Schnell folgte darauf der Entschluss, sich einem Projekt in der Sozialarbeit zu widmen. Sie beschloss, sich für inhaftierte Jugendliche einzusetzen.

Auch Täter brauchen Hilfe
Wenn Anke Bub von dem Projekt erzählt, für das sie sich engagiert, wird ihr immer wieder dieselbe Frage gestellt: Warum all dieser Einsatz für „böse Buben“ und nicht für deren Opfer? „Sich jugendlichen Straftätern anzunehmen, stößt nicht überall auf positive Resonanz“, weiß Bub. Angesichts der hohen Rückfallquote, scheint die Arbeit in diesem Bereich verschwendete Zeit zu sein. „Viele meinen, es sei weitaus wichtiger, dass man den Opfern helfe“, sagt sie. Vordergründig betrachtet, stimmt Anke Bub dieser Argumentation zu – aber nur vordergründig. „Wer sich tiefergehend mit den vielen Problemfällen auseinandersetzt, der erkennt zwangsläufig, dass es Gründe für das Verhalten der Jugendlichen gibt.“ Diese sind der Schlüssel zum Problem und der Ansatzpunkt für engagierte Hilfe.


„Die jugendlichen Straftäter kommen sehr häufig aus instabilen, manchmal sogar chaotischen Familienverhältnissen“, berichtet Anke Bub. „Sie erfahren von frühester Kindheit an Vernachlässigung, Missachtung, Ablehnung und Gewaltanwendung. Bevor sie zu Tätern wurden, waren die meisten von ihnen sozusagen selbst erst einmal in der Opferrolle.“ Gefangen in diesem Teufelskreis würden manche dann das, was man ihnen angetan hat, an andere Menschen weitergeben. Und genau deshalb müsse man diesen Teufelskreis durchbrechen, wenn Sozialisierung beziehungsweise Resozialisierung Erfolg haben soll. Anke Bub glaubt, dass sie mit ihrer Arbeit zwei Zielen gleichzeitig näher kommen kann: „Wenn es gelingt, dass weitere Straftaten unterbleiben, dann ist Täterhilfe zugleich auch Opferhilfe.“

Worte, die weiterhelfen
Dauerhafte Veränderungen, so Anke Bub, werden nur durch Beziehungen zu anderen Menschen möglich. Deshalb setzt sie mit ihrem engagierten Einsatz auch genau dort, im zwischenmenschlichen Bereich, an. Gerade als freiwillige Helferin kann sie dabei einen Beitrag leisten, der sonst nicht möglich wäre: „Als ehrenamtliche Mitarbeiterin beziehungsweise Betreuerin in der Justizvollzuganstalt werde ich von den Jugendlichen aus einer anderen Perspektive wahrgenommen als die hauptamtlichen Mitarbeiter. Allein schon ein offenes Ohr für ihre Ängste und Nöte zu haben, zu signalisieren, dass man sie als Person wertschätzt, baut aufgestauten Frust ab und wirkt wie ein Ventil.“
Diese Wertschätzung führt Anke Bub den Jugendlichen durch viele verschiedene Angebote vor Augen. Sie zeigt mögliche Wege in ein neues Leben auf. So unterstützt sie beispielsweise die Jugendlichen, ihre „verschütteten“ Fähigkeiten neu für sich zu entdecken und aktiv zu betreiben. Dazu tragen Angebote wie Malunterricht, Musizieren oder Theater spielen bei. Auch Kochen und Backen oder Diskussionen zu aktuellen Themen sind wichtige Schritte in Richtung Normalität. Und: Durch ihre regelmäßigen Besuche in der Justizvollzugsanstalt wird Anke Bub für die Heranwachsenden zum „Fenster zur Freiheit“. Insbesondere für diejenigen, deren Kontakte zur Außenwelt, sprich Familie und Freunden, vollkommen abgebrochen sind.

Den Weg weisen und ihn dann gemeinsam gehen
Begleitete Ausgänge außerhalb der Justizvollzuganstalt spielen ebenfalls eine Rolle in Anke Bubs Arbeit. Sie bereiten die Häftlinge auf ihre Entlassung vor. Die freiwillige Helferin begleitet – wenn gewünscht – auch frisch entlassene Ex-Häftlinge in der ersten Zeit nach der Haftstrafe. Denn besonders dann ist es wichtig, dass die Heranwachsenden über ihre Probleme und Ängste mit einer vertrauten Person sprechen können. Der Weg zurück in das sogenannte „normale“ Leben bleibt trotzdem für manchen Jugendlichen überaus beschwerlich.
Anke Bub arbeitet aus Überzeugung und mit viel Leidenschaft, ohne dabei jedoch den Blick für die Bedürfnisse der Realität zu verlieren: „Mir ist klar, dass meine Arbeit nur ein kleiner Baustein in dem umfangreichen Paket von vorgesehenen Maßnahmen sein kann.“ Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den hauptamtlichen Kräften ist dabei unerlässlich. Dies wird von Seiten der JVA durch regelmäßige Gespräche und ein jährliches Fortbildungsseminar unterstützt.

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