Demografiebericht 2011

Der demografische Wandel wird die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten zunehmend beeinflussen. Eine anhaltend niedrige Geburtenrate, der erfreuliche Anstieg der Lebenserwartung und die damit verbundene Alterung der Bevölkerung sowie der hohe Bevölkerungsanteil von Migranten sind zwar auch in anderen entwickelten Ländern zu beobachten. Sie betreffen Deutschland aber in besonderem Maß.
Den Bericht gibt es hier zum Download

Auszugsweise hier einige Passagen des Textes zum freiwilligen Engagement

1.4 Freiwilliges Engagement
Bürgerschaftliches Engagement ist eine tragende Säule jedes freiheitlichen, demokratischen, sozialen und lebendigen Gemeinwesens. In Deutschland ist über ein Drittel der Bevölkerung in Vereinen, Verbänden und Initiativen engagiert, sei es im Sportverein, bei der Freiwilligen Feuerwehr, in Kirchen und karitativen Organisationen, in Freiwilligenagenturen, in der Hospizbewegung, in Nachbarschaftsinitiativen, kulturellen Einrichtungen, Selbsthilfegruppen oder Sozialunternehmen. Das freiwillige Engagement der Bürger sorgt für Zusammenhalt und Gemeinschaft und wirkt in einem Maße solidaritätsstiftend, wie es der Staat allein nie bewirken könnte.

1.4.1 Aktives Gemeinwesen
Ein freiheitliches, soziales und lebendiges Gemeinwesen braucht die aktive Beteiligung der Bürger. Die Förderung freiwilligen und bürgerschaftlichen Engagements ist in demokratischen Gesellschaften Aufgabe von Politik und Staat, denn es trägt maßgeblich zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Eine zukunftsfähige Engagementpolitik zu entwickeln heißt, die Rahmenbedingungen für Engagement zu verbessern. Das bedeutet, Anregungen zu geben, Information und Beratung anzubieten sowie insgesamt auf eine förderliche Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement hinzuwirken.

Mit der am 6. Oktober 2010 beschlossenen Nationalen Engagementstrategie will die Bundesregierung die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement weiter verbessern und das Themenfeld Engagementpolitik ressort-übergreifend und langfristig aufstellen. Sie legt den Grundstein für eine zwi-schen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft besser aufeinander abgestimmte Engagementförderung in Deutschland und verfolgt vier strategische Ziele: eine bessere Abstimmung engagementpolitischer Vorhaben von Bundes- regierung, Ländern und Kommunen die Einbindung von Stiftungen und des bürgerschaftlichen Engagements von Wirtschaftsunternehmen eine größere Anerkennung und Wertschätzung der Leistungen von freiwillig Engagierten bessere Rahmenbedingungen für das freiwillige Engagement
Die Engagementstrategie berücksichtigt die gesamte Themenbreite der Zuständigkeiten der Bundesregierung.

Die Bundesregierung ist vom Deutschen Bundestag mit Beschluss vom 19. März 2009 aufgefordert, einmal in der Legislaturperiode einen wissenschaftlichen Bericht vorzulegen. Der Erste Engagementbericht der Bundesregierung hat den Schwerpunkt „Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen“ und wird Mitte 2012 dem Deutschen Bundestag übergeben.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung engagiert sich bereits heute in unterschiedlicher Art und Weise in unserer Gesellschaft. Ein weiteres Drittel wäre bereit, sich zu engagieren. Junge Menschen sind auch heute eine zivilgesellschaftlich aktive und engagierte Gruppe. Zwar ist in den letzten zehn Jahren ein leichtes Absinken der Engagementbeteiligung der 14- bis 24-Jährigen zu verzeichnen (1999: 37 %, 2004: 36 %, 2009: 35 %).62 Gerade in dieser Altersgruppe ist die Bereitschaft, sich bürgerschaftlich zu engagieren, jedoch überragend. Zusätzlich zu den bereits engagierten Jugendlichen würden weitere 49 % eine Tätigkeit übernehmen, 16 % sogar nicht nur eventuell, sondern interessenbezogen oder mit bestimmter Absicht. Gerade ältere und junge Menschen engagieren sich überdurchschnittlich oft. Freiwilliges Engagement verzeichnet die höchsten Zuwachsraten bei älteren Menschen. Sie bringen ihre vielfältigen Erfahrungen und Kompetenzen ein und verfügen gerade in der Nacherwerbsphase über die notwendige freie Zeitgestaltung.

Eine besonders deutliche und kontinuierliche Steigerung des freiwilligen Engagements gab es über die Periode 1999 bis 2009 bei den älteren Menschen. Im Alter von über 65 Jahren stieg ihre Engagementquote von 23 % (1999) auf 28 % (2009). Zwischen 1999 und 2004 stieg die Engagementquote besonders stark bei den 60- bis 69-Jährigen, zwischen 2004 und 2009 bei der älteren Gruppe im Alter ab 70 Jahren (1999: 20 %, 2004: 22 %, 2009: 26 %).

Die Kohorte der 55- bis 65-Jährigen und die der „jungen Rentnerinnen und Rentner“ über 65 sind zahlenmäßig weiter wachsende Gruppen. Eine große Chance wird darin liegen, die große Gruppe der in den 60er-Jahren geborenen Babyboomer, die derzeit noch überwiegend im Beruf stehen, für ein Engagement insbesondere auch nach der aktiven Erwerbstätigkeit zu gewinnen.

Allerdings verzeichnen vor allem die stark alternden und schrumpfenden Regionen – ländliche im Osten und die Kreise entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, aber auch städtische wie das Ruhrgebiet – hohe Verluste an freiwillig Aktiven. Gleichzeitig steigt in alternden Regionen der Bedarf an informellen Netzen, die bei Hilfe und Pflege Unterstützung geben.

Mit dem Programm „Aktiv im Alter“ wurden in 150 Kommunen in ganz Deutschland neue Methoden der Zusammenarbeit vor Ort angestoßen. Grundlagen waren Erhebungen der jeweiligen Kommune über die bestehenden Angebote freiwilliger kommunaler Daseinsvorsorge. Mit Hilfe von „Lokalen Bürgerforen“ unter dem Motto „Wie wollen wir morgen leben?“ wurden Projekte aufgebaut, in denen ältere Menschen für das Gemeinwesen aktiv werden. Die entwickelten Ideen und Projektvorschläge konnten von älteren Menschen bedarfsgerecht nach eigenen Präferenzen und in Abstimmung mit den kommunalen Verantwortlichen ausgefüllt werden. Dadurch wurde eine Leitkultur des aktiven Alters auf kommunaler Ebene verankert.

Das Programm „Aktiv im Alter“ veranschaulicht, dass die Vernetzung mit kommunalen Partnern sowie die Unterstützung durch Verwaltung und Politik Erfolg versprechende Wege sind, die noch weiter ausgebaut werden sollen. Die in zahlreichen Programmen bewiesene Vielfalt innovativer Projekte, der Einsatzwille und die Gestaltungskraft älterer Menschen sind ein wichtiger Beitrag zur Stärkung ländlicher Regionen.

Gerade in den sich ausdünnenden ländlichen Regionen ist ein Wegzug junger Menschen zu beobachten, und die Versorgung der verbleibenden, vor allem älteren Menschen mit Gütern des täglichen Bedarfs oder bei Hilfe- und Pfl ege-bedürftigkeit wird schwieriger. Bürgerschaftliches Engagement ist in diesen Gebieten vor allem auf die Bereitstellung von Infrastruktur wie zum Beispiel Fahrdienste oder Bürgerbusse, die Nahversorgung, auf kulturelles und sportliches Engagement sowie auf die ehrenamtliche Tätigkeit im Brand- und Katastrophendienst fokussiert. Das Engagement älterer Menschen kann mit dazu beitragen, notwendige Infrastrukturen in ländlichen Regionen zu erhalten. Die Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung beschreibt die Bedarfssituation im ländlichen Bereich und verbindet dies mit einer Darstellung wesentlicher Projektansätze zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements im ländlichen Bereich.

Um Zukunftsperspektiven für junge Menschen in ihren Heimatregionen zu entwickeln und Jugendliche zu Eigeninitiative und zivilgesellschaftlichem Engagement zu motivieren, förderte die Bundesregierung von 2005 bis 2010 die Arbeit der Koordinierungsstelle „Perspektiven für junge Menschen – gemeinsam gegen Abwanderung“ in der Stiftung Demokratische Jugend. In Kooperation mit Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wurden Konzepte und Projekte entwickelt, um insbesondere die Haltefaktoren und regionalen Bindungen von jungen Menschen zu stärken. Dazu gehörten die Förderung von Jugendinitiativen, die Stärkung von Eigeninitiative und zivilgesellschaftlichem Engagement sowie der Heimatverbundenheit junger Menschen, lokale und regionale Netzwerkbildung und die Entwicklung von Perspektiven im Übergang zwischen Schule und Beruf. Das Jahr 2011 soll unter Förderung der Bundesregierung zur Verstetigung der Ergebnisse und zur Verbreitung der Erfahrungen genutzt werden.

1.4.2 Freiwilligendienste
Freiwilligendienste sind eine besondere Form des gesellschaftlichen Engagements. Ursprünglich konzipiert für junge Menschen, sind sie inzwischen für alle Generationen geöffnet. Seit Jahrzehnten fördert die Bundesregierung das Engagement junger Menschen in verschiedenen Formen. Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) mit seinen verschiedenen Einsatzfeldern und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) bieten jungen Menschen die Möglichkeit, für sich und die Gesellschaft aktiv zu sein. Ein überwiegender Teil leistet seinen Jugendfreiwilligendienst in den sozialen Bereichen, das heißt in der Pflege und Betreuung von kranken und älteren Menschen sowie Menschen mit Behinderung.

Die Jugendfreiwilligendienste sollen weiter gestärkt und der sukzessive Ausbau soll fortgesetzt werden. Die Potenziale der Freiwilligendienste sollen insbesondere durch eine weitere Öffnung für benachteiligte Jugendliche und als ein Sprungbrett zur Integration von Migranten besser genutzt werden. Jungen Menschen, die am Beginn ihres beruflichen Lebensweges stehen, bieten sich Chancen für vielfältigen Kompetenzerwerb. Für benachteiligte Jugendliche ist der Freiwilligendienst ein wichtiger Schritt zum Einstieg in ein geregeltes Erwerbsleben.

Der 2011 gestartete „Internationale Jugendfreiwilligendienst“ bietet jungen Frauen und Männern neue Möglichkeiten zum freiwilligen Engagement im Ausland und unterliegt als Bildungs- und Orientierungsjahr hohen Qualitätsanforderungen. Mit dem Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes werden die Freiwilligendienste in Deutschland gestärkt. Zugleich wird die Aussetzung des Zivildienstes als Folge der Aussetzung der Wehrpflicht zumindest teilweise kompensiert. Ziel des neuen Bundesfreiwilligendienstes ist es, zukünftig möglichst vielen Menschen jeden Alters einen Einsatz für die Allgemeinheit und die positive Erfahrung von bürgerschaftlichem Engagement zu ermöglichen.

Der Bundesfreiwilligendienst bietet für jeden Freiwilligen eine Chance, sich weiterzuentwickeln. Jüngere Freiwillige werden unter anderem an soziale Berufe herangeführt und erwerben Fähigkeiten und persönliche Kompetenzen, die auch im Familien- und Berufsleben wichtig sind. Ältere Freiwillige können ihre Lebens- und Berufserfahrung in den Dienst einbringen und an Jüngere weitergeben. Wenn jüngere und ältere Freiwillige nebeneinander ihren Dienst tun, wird das gegenseitige Verständnis der Generationen gefördert.

Durch die Mindeststundenzahl von mehr als 20 Wochenstunden unterscheidet sich der Bundesfreiwilligendienst von anderem bürgerschaftlichen Engage-ment, das im Umfang weniger Wochenstunden in allen Bereichen der Gesellschaft ausgeübt wird. Unter dem Leitmotiv „Engagement schlägt Brücken“ unterstützt die Bundesregierung bürgerschaftliches Engagement bereits vor Einführung des Bundes-freiwilligendienstes und ergänzend zu diesem mit einer neuen Dienstform, den „Freiwilligendiensten aller Generationen“. Sie sind für jedes Alter offen und ein attraktives Angebot für alle, die sich mindestens acht Stunden wöchentlich für mindestens sechs Monate verbindlich engagieren möchten.

Neben kontinuierlicher fachlicher Begleitung haben die Freiwilligen Anspruch auf kostenlose Qualifizierung und sind über den Träger haftpflichtversichert sowie in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert. Eltern jüngerer Freiwilliger haben Anspruch auf Kindergeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch erfüllen. Seit Januar 2009 sind die Freiwilligendienste aller Generationen gesetzlich verankert. Freiwilligendienste aller Generationen können neben Ausbildung, Beruf und Familie geleistet werden und sind besonders geeignet in biografischen Übergangszeiten: zwischen Schule und Beruf, auf der Suche nach einem Wiedereinstieg nach der Familienphase, während Zeiten der Erwerbslosigkeit oder beim Übergang in die nachberufliche Lebensphase. Die Einsatzfelder erstrecken sich auf alle sozialen Bereiche. Eine besondere Rolle übernehmen dabei die Kommunen als Drehscheibe der Daseinsvorsorge und zur Vernetzung mit neuen wie mit etablierten Partnern (Mehrgenerationenhäuser, Seniorenbüros, verschiedene Träger).

1.4.3 Mehrgenerationenhäuser
Für ein gutes Miteinander der Generationen stehen die Angebote der Mehrgenerationenhäuser, die praktische Hilfe und freiwilliges Engagement miteinan-der verbinden. Im Rahmen des Aktionsprogramms Mehrgenerationenhäuser sind seit 2006 bundesweit 500 Mehrgenerationenhäuser entstanden. Sie sind Orte der Begegnung für alle Generationen und bieten vielfältige Angebote und Hilfen, die bei der Bewältigung des Alltags wirksam werden und umfassende Gelegenheiten für freiwilliges Engagement aller Altersgruppen schaffen. Die Mehrgenerationenhäuser bieten mit insgesamt mehr als 15.000 Einzelange-boten praktische Hilfe in fast jedem Lebensbereich und für jedes Alter. Viele dieser konkreten Angebote sind familienunterstützende und haushaltsnahe Dienstleistungen, bei denen neben einem Fokus auf Kinderbetreuung auch ein zunehmender Schwerpunkt im Bereich der Unterstützung und Betreuung älterer Menschen liegt. Bundesweit können sich die Mehrgenerationenhäuser inzwischen auf über 20.000 freiwillige Helfer stützen.

Fast die Hälfte aller Mehrgenerationenhäuser bietet mittlerweile Betreuungs- und Beratungsangebote an, die speziell an Menschen mit einer Demenzer-krankung gerichtet sind. Hier werden sowohl Betroffene als auch pfl egende Angehörige und Interessierte über Symptome der Krankheit, den Umgang mit Patienten sowie Hilfsangebote informiert. Diese Angebote leisten einen konkreten Beitrag dazu, Betroffene und ihre Angehörigen zu unterstützen und das Thema Demenz zu enttabuisieren. Hierbei arbeiten die Mehrgenerationenhäu-ser mit der Deutschen Alzheimergesellschaft zusammen.

Der erfolgreiche Mehrgenerationenhausansatz und die wichtige Rolle, die Mehrgenerationenhäuser in ihrem lokalen Umfeld übernehmen, werden in einem Folgeprogramm weiterentwickelt: Das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser II geht mit einer dreijährigen Laufzeit (2012–2014) an den Start und wird mit insgesamt 450 Standorten eine flächendeckende Präsenz in Deutschland sichern. Darüber hinaus wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass jedes Mehrgenerationenhaus Bundesfreiwillige einsetzen und entsprechende Stellen anbieten kann. Ziel ist es, die Mehrgenerationenhäuser auch über die Laufzeit des Folgeprogramms hinaus dauerhaft in die lokale Infrastruktur zu integrieren und durch eine stärkere Vernetzung mit anderen Einrichtungen und Initiativen als Knotenpunkte für freiwilliges Engagement zu etablieren.

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