Demenz: Roboter als Therapiehelfer?

Das Interview führte das Redaktionsteam Wegweiser Demenz
Roboter in der Altenpflege – zukunftsweisender Ansatz oder bedrohliche Entwicklung? Im Dokumentarfilm „Roboter zum Kuscheln – Heilsam für Demenzkranke?“ steht eine Roboterrobbe im Mittelpunkt. Filmautorin und Journalistin Annette Wagner hat im Bremer Pflegeheim „Haus O’land“ beobachtet, wie Demenzpatienten, Angehörige und Pflegekräfte mit ihm umgehen. Im Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen während Dreh und Recherche.

Frau Wagner, Ihr Film beschäftigt sich mit dem Einsatz Emotionaler Roboter in der Pflege. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?
Durch ein Foto, das ich vor zwei Jahren in einer Zeitung gesehen habe. Darauf waren drei demenzkranke Frauen zu sehen, die recht glücklich aussahen. Eine von ihnen hatte ein Kuscheltier auf dem Schoß. Als ich las, dass dieses Kuscheltier ein Roboter sei, war ich empört und irritiert. Ich bin auf eine Pflegemesse gefahren, um mir dieses „Ding“ anzusehen. Es heißt „Paro“ und ist ein sogenannter Zuwendungsroboter. Von außen sieht er aus wie eine Babyrobbe mit weichem Fell und großen Augen, innen steckt ein lernfähiger Computer.

Wie funktioniert der Zuwendungsroboter, welche Idee steckt dahinter?
Er ist eine Art interaktiver Teddybär, der stärker als ein normales Kuscheltier emotional stimuliert. Sensoren nehmen Geräusche und Berührungen auf und lassen den Roboter auf sein Gegenüber reagieren: Er wackelt mit den Flossen, hebt den Kopf, klimpert mit den Wimpern und fiept. Damit entlockt er Demenzkranken zum Beispiel ein Lächeln oder motiviert sie dazu, ihn wegzuschieben und abzulehnen – das sind oft mehr Lebensäußerungen, als sie sonst zeigen. Die Reaktionen des Roboters suggerieren ihnen, dass er ein Lebewesen ist. Sein Äußeres entspricht dem Kindchenschema, das unseren Beschützerinstinkt weckt und Zuwendung auslöst. Als ich ihn auf der Pflegemesse auf den Arm nahm, konnte ich nicht distanziert bleiben; das hat mich neugierig gemacht. Ich wollte einen reflektierten Blick auf den Einsatz solcher Roboter in der Demenztherapie werfen.

Sie haben den Einsatz des Roboters in einem Bremer Pflegeheim begleitet. Wie reagierten die demenzkranken Bewohner?
Ich habe erlebt, dass er für ihre Kommunikation Erstaunliches bewirkt hat. Angehörigen und dem Pflegepersonal hat er geholfen, eine Brücke zu den Demenzkranken zu bauen und Erinnerungen zu wecken. Einige Bewohnerinnen beispielsweise erinnerte das Gewicht des Roboters und die Wärme, die der Computer erzeugt, daran, wie sie früher ihre Kinder im Arm hielten. Andere Bewohner, die kaum sprachen oder sich schwer artikulieren konnten, antworteten im Gespräch über die Robbe plötzlich auf Fragen. Einige lehnten die Robbe auch ab. Ein Mann schlug sie und sagte, sie solle ruhig sein; später entschuldigte er sich bei dem „Tier“.

Pflegekräfte und Angehörige waren zunächst sehr skeptisch. Was waren die Kritikpunkte?
Vor allem die Angehörigen hatten Angst, dass Roboter als Ersatz für Personal dienen könnten. Das ist jedoch nicht der Fall, sie dürfen nur begleitet von geschulten Pflegekräften eingesetzt werden. Sie sind keine Spielzeuge, die unterhalten oder Zuwendung ersetzen sollen. Viele waren auch besorgt, ob die Roboterrobbe ihre Mutter oder ihren Vater beunruhigen oder ängstigen würde. Hinterfragt wurde zudem, ob im Heimalltag Zeit bleibt, um Zuwendungsroboter einzusetzen. Pflegekräfte, die die Grundpflege gewährleisten müssen, finden diese Zeit eher nicht. Für zusätzliche Betreuungskräfte sind sie ein mögliches Mittel.

Wie lautet Ihr Fazit? Darf ein Roboter Therapiemittel sein?
Aus moralischer Sicht habe ich das zunächst abgelehnt, schließlich täuscht man damit die Demenzkranken. Je mehr ich mich aber mit ihrem Alltag beschäftigte, desto mehr änderte sich meine Haltung. Letztendlich kommt es darauf an, ob es den Betroffenen gut tut. Es ist dennoch sehr wichtig, diese Frage zu stellen und genau hinzuschauen, wie sich der Einsatz von Robotern entwickelt. Dies thematisiert der Film.

Ihr Dokumentarfilm ist Teil eines medienübergreifenden Projekts, unter anderem mit einer interaktiven Website, einer Debattenseite auf Facebook und einem Online-Spiel. An wen richtet sich das Projekt?
Ich möchte ein möglichst breites Publikum erreichen, sowohl jüngere Internet-User als auch Menschen, die eher ein TV-Programm anschauen. Der Film beleuchtet den wissenschaftlichen Diskurs über Roboter in der Altenpflege, die Website liefert Hintergrundwissen. Ergänzend habe ich unter anderem das Spiel „Kuscheltiersofa“ entwickelt, das sich an Jüngere und Ältere gleichermaßen richtet. Sie können ein Bild ihres Kuscheltiers hochladen und schreiben, wann es ihnen Trost oder Freude spendet. Das Spiel soll zum Nachdenken anregen: Warum können nicht auch Oma und Opa eine Puppe oder ein Kuscheltier haben, dem sie sich zuwenden?

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Ein Kommentar

  1. Mit gemischten Gefühlen habe ich diesen Beitrag angeschaut . Auf der einen Seite ist die Einführung einer digitalen „Hilfe“ in Form einer Robbe erstmal eine tolle Idee. Man hat in dem Beitrag auch gesehen dass die Patienten und Senioren das gut aufgenommen haben . Meiner Meinung nach ist das das einzige was zählt . Ich kann mir nur vorstellen dass es bei dem ein oder anderen ein bisschen zu auf Missverständnissen führen kann. Ich glaube ich würde mir doch eher etwas seltsam vorkommen wenn man mich in dem Alter versucht mit einem „Kinderspielzeug“ zu besänftigen. Solange die Senioren sich dadurch nicht in irgend einer Form belästigt fühlen oder Ihnen das zu viel wird denke ich dass es eine gute Sache ist um gerade Demenzkranken etwas Ruhe und Ablenkung zu schenken.

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